Regency Roses – Der Lord ohne Lächeln

Der Lord ohne Lächeln ist niemand, der leicht vergibt 
vor allem nicht der Frau, die einst seine Liebe verriet.

England 1813
Bei ihrem Debüt in London verliebt Cleopatra Rowley sich in den bürgerlichen Kaufmann Elias Caine. Doch Familienpflicht und Unsicherheit lassen die Tochter eines Baronets einen folgenschweren Fehler begehen. Ein Jahr später erhält Cleopatra die Chance, ihren Irrtum von einst wieder gut zu machen. Aber der Mann ihres Herzens scheint in jeder Hinsicht ein anderer geworden zu sein.
Inzwischen zum Earl of Sheringham ernannt, wird Elias als skandalumwitterter ›Lord ohne Lächeln‹ von der feinen Londoner Gesellschaft als skrupelloser Geschäftsmann gefürchtet und als Emporkömmling verachtet. Als er durch eine Intrige alles zu verlieren droht, ist ausgerechnet Cleopatra sein einziger Ausweg. Doch der hübschen Lady zu vertrauen, hat sich schon einmal als falsche Entscheidung erwiesen – zumal sie sein dunkelstes Geheimnis noch gar nicht kennt …

430 Seiten

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Leseprobe – Der Lord ohne Lächeln

Beherzt zog Cleo die Tür weiter auf und entdeckte in dem kleinen, hellgrün tapezierten Zimmer auch einen Tisch mit Wasserkaraffen, Schüsseln, Seife und Handtüchern. An einer Seite des quadratischen Raumes führte eine halbgeöffnete Tür in ein weiteres Zimmer. Erleichtert, das Damen-Boudoir gefunden zu haben, trat Cleo über die Schwelle.
»An Ihrer Stelle würde ich diesen Raum nicht betreten«, erklang eine Männerstimme hinter ihr.
Cleo fuhr herum. Im Gang stand ein ihr unbekannter Gentleman und musterte sie mit zusammengezogenen Brauen. Durch die Teppiche am Boden hatte sie ihn nicht kommen hören!
»Warum nicht?«, stotterte sie. »Das ist doch das Damen-Boudoir.« Um die Richtigkeit ihrer Worte zu beweisen, zeigte sie auf den Spiegel und die Waschschüsseln.
Der Mann, er mochte Mitte zwanzig sein, schüttelte den Kopf. »Dies hier ist ein Rückzugsort für Herren.«
Cleos Verwirrung überwog sogar ihre Schüchternheit. »Aber das Billardzimmer liegt neben dem Damensalon!« Sie wusste sicher, dass sie auf dem Weg hierher daran vorbeigelaufen war.
»Richtig. Dieser Raum jedoch, oder besser gesagt das Zimmer, zu dem er führt, dient geschäftlichen Gesprächen. Wasser und Seife stehen hier im Vorraum zum Abwaschen von Tinte an den Händen bereit, falls Verträge geschrieben werden. Ich will jedoch nicht ausschließen, dass zu späterer Stunde auch Damen anwesend sein werden – womit ich allerdings nicht die weiblichen Gäste des Balls meine.«
Cleo schoss das Blut in die Wangen. Wenn diese Aussage stimmte, war das der letzte Ort, an dem eine Debütantin sich aufhalten durfte! Schnell trat sie zu dem fremden Gentleman in den Gang zurück.
»Und wo befindet sich das Damen-Boudoir?«, fragte sie, immer noch entsetzt über ihren Irrtum. »Ich suche es nämlich.«
»Das weiß ich nicht.« Die Miene des Fremden war weiterhin ernst, jedoch nicht mehr so grimmig wie zu Beginn. »Wenn Sie aber nur eine gewisse Örtlichkeit suchen, kann ich Ihnen behilflich sein. Die Gastgeber haben vor ein paar Monaten eines dieser modernen Bramah-Wasserklosetts einbauen lassen und ich durfte es bei meinem letzten Besuch in diesem Haus besichtigen.«
O nein! Cleos Wangen brannten jetzt wie Feuer. Durch ihre missverständliche Ausdrucksweise glaubte der Fremde, sie verspüre ein dringendes Bedürfnis! Wie peinlich!
»Ich benötige kein Wasserklosett«, stellte sie richtig. »Ich muss meine glänzende Nase pudern, weil meine Mutter meint, dass mich sonst niemand mehr anschauen mag.« Kaum hatte sie ausgesprochen, schlug Cleo sich die Hand vor den Mund.
Was war über sie gekommen? So etwas äußerte man nicht vor einem Herrn! Was dachte er jetzt bloß von ihr? Anstatt weiter kopflos zu plappern, sollte sie besser damenhaft schweigen.
Statt sie ob ihrer ungeschickten Äußerung zu belächeln, legte der Unbekannte den Kopf schräg und betrachtete Cleo im Schein des Wandleuchters.
»Ihre Nase glänzt tatsächlich«, stellte er nach eingehender Musterung fest und Cleo wäre vor Scham am liebsten im Boden versunken. »Im Gegensatz zu der Einschätzung Ihrer Mutter hält mich dies jedoch nicht davon ab, Sie anschauen zu wollen. Sie sind auch ohne perfekte Schminke eine hübsch anzusehende Dame. Noch dazu besitzen Sie ein angenehm natürliches Wesen.«
Was sollte sie darauf erwidern? Sich eine solche Bemerkung verbitten oder sie als Kompliment werten und sich bedanken? Diese Situation überforderte Cleo heillos. Sie wusste, warum sie sonst so zurückhaltend war.
Ihre Bestürzung schien ihrem Gegenüber nicht zu entgehen. »Ich wollte Sie mit der Offenheit meiner Worte nicht in Verlegenheit bringen. Ich habe lediglich den Grundsatz, nie zu lügen.«
Diese im Brustton der Überzeugung geäußerte Behauptung brachte Cleo vollends aus dem Konzept. »Sie sagen niemals die Unwahrheit?«, platzte sie heraus.
»So ist es.«
»Auch keine winzige Notlüge?«
»Nein.«
Das nahm sie ihm nicht ab! »Aber manchmal kommt man doch nicht umhin, ein wenig zu schwindeln. Zum Beispiel, weil man jemanden nicht verletzen will.«
»Glauben Sie, es verletzt die andere Person nicht, wenn Sie sie anlügen?«, fragte er herausfordernd.
Cleo überlegte kurz. »Nicht so sehr wie die Wahrheit, würde ich sagen.«
»Dann würden Sie also Ihrer besten Freundin vorgaukeln, dass deren selbstbesticktes Schaltuch hübsch ist, obwohl das Muster vor Fehlern strotzt?«
»Das würde ich. Was würden Sie ihr an meiner Stelle sagen?«
»Dass das Stickmuster mangelhaft umgesetzt ist, ich aber ihr Durchhaltevermögen bewundere. Und dass Sie bitte nie auf die Idee kommen soll, mir ein solches Schaltuch als Geschenk zu machen.«
Cleo riss die Augen auf. Bis sie begriff, dass er die letzten Worte in übertrieben ernstem Tonfall geäußert hatte und diese somit scherzhaft gemeint haben musste. Cleo lächelte. Sie mochte Ironie.
Er schien erfreut, dass sie seinen Scherz erkannt hatte. Zumindest nahm Cleo das an, denn seine Mundwinkel zuckten leicht – was ihn gleich noch sympathischer machte.
»Den zweiten Satz würde ich natürlich nicht laut sagen«, bestätigte er. »Ein Leben ohne Lügen bedeutet, im richtigen Moment schweigen zu können.«
Mit Mühe unterdrückte Cleo ein Lachen. Die trockene Art dieses Mannes gefiel ihr! Überhaupt mochte sie die Wendung, die das Gespräch genommen hatte.
Ihr Gegenüber neigte den Kopf.»Darf ich mich Ihnen vorstellen? Mein Name ist Elias Caine.«

Schauplätze des Romans

Lust auf eine Zeitreise ins England des Regencys? Im Oktober 2019 führte mich eine Recherchereise nach London. Von meinem Spaziergang durch das berühmte Stadtviertel Mayfair und an weitere geschichtsträchtige Orte in Englands Hauptstadt habe ich einige der schönsten und interessantesten Plätze ausgesucht und mit Zitaten aus meinen Romanen und spannenden Infos versehen. Ausgerüstet mit einem Stadtplan und dem empfehlenswerten Buch „Walks through Regency London“ von Louise Allen startete ich meine Erkundungstour auf den Spuren meiner Heldinnen und Helden aus den „Regency Roses“-Romanen.

Unter dem Geläut der Glocken trat Elias mit Cleopatra am Arm nach ihrer Trauung in der St.-George’s-Kirche aus dem Säulenportal ins Freie. Geschmückte Kutschen warteten dort auf sie und ihre Gäste, um sie in sein Stadthaus am Grosvenor Square zu bringen.

St.-George’s war während des Regencys beim bon ton eine beliebte Kirche zum Heiraten. Sie wurde im Jahr 1725 fertiggestellt und befindet sich in der St-George’s Street südlich des Hanover Squares.

London, 1813
Es war eine gute Entscheidung gewesen, die ägyptische Ausstellung zu besuchen. Der Faszination der antiken Fundstücke konnte man sich unmöglich entziehen. Schimmernde Skarabäen, bemalte Tonwaren, goldene Schmuckfibeln und nicht zuletzt der Stein von Rosette. In die steinerne Tafel waren drei untereinander stehende Inschriften in Altgriechisch, Demotisch und in der Bildschrift der Ägypter eingemeißelt worden. Ein französischer Offizier hatte die Stele bei Napoleons Ägyptenexpedition entdeckt. Nach der Niederlage der Franzosen war der Stein nach London gebracht und im Museum ausgestellt worden. Forscher hofften, mit Hilfe der beiden anderen Schriften endlich die Hieroglyphen der alten Ägypter entziffern zu können. Bis jetzt war dieses Vorhaben nicht gelungen.
Schmunzelnd betrachtete Cleo ihre Schwester, die gebannt auf die Stele blickte. Helena besaß ein gutes Gefühl für Sprachen und es würde Cleo nicht wundern, wenn ihre Schwester gerade versuchte, sich einen Reim auf die Hieroglyphen zu machen.

Die Entschlüsselung gelang dem französischen Sprachwissenschaftler Jean-Francois Champollion (1790-1832) im Jahre 1822. Er arbeitete allerdings nicht am Originalstein in London, sondern musste Abschriften benutzen.

Kurz vor Prozessbeginn am nächsten Morgen hielt Cleos Mietdroschke gegenüber der Bow Street Nummer 4 am Rande von Covent Garden. Eine Menge Schaulustiger stand vor dem dreistöckigen, aus hellem Stein erbauten Eckhaus versammelt. Ein Gerichtsverfahren gegen ein Mitglied des Hochadels war immer eine Sensation, besonders, wenn es sich um den aus der Klatschkolumne berüchtigten ›Lord ohne Lächeln‹ handelte. Gefolgt von Doktor Gordon stieg Cleo mit Gregs Hilfe aus der Kutsche und ging auf das Gebäude zu, das einst das Privathaus des früheren Bezirksrichters gewesen war. Greg blieb dicht an ihrer Seite und bahnte Cleo und dem Arzt in Soldatenmanier einen Weg durch die neugierige Menschenmenge. Cleo war froh über seinen Beistand, denn ihre Nervosität wuchs mit jedem Schritt.
Im Inneren des Hauses war ein Raum zum Anhörungssaal umgebaut worden. An der Stirnseite des Saales stand auf einer flachen Empore ein Tisch für den Richter und seine Helfer, davor befanden sich Stühle für Angeklagte, Anwälte und Offiziere der Bow Street. Der Zuschauerraum lag durch ein Metallgeländer getrennt dahinter. Viele Männer und Frauen hatten sich dort eingefunden, die wenigen vorhandenen Sitzgelegenheiten waren alle belegt. Unter den Besuchern erkannte Cleo etliche Personen von Stand wieder. Sie unterhielten sich angeregt, als erwarteten sie gleich die Uraufführung eines neuen Theaterstückes. Die Sensationsgier dieser Leute widerte Cleo an. Wie musste Elias sich fühlen, wenn er all das sah?

Im Jahr 1749 gründete der Londoner Richter und Schriftsteller Henry Fielding die erste Polizeieinheit Englands. Die Offiziere wurden umgangssprachlich Bow Street Runner genannt. Der Name bezieht sich auf den Standort des zuständigen Gerichtsgebäudes in der Bow Street Nummer 4. Die Truppe wurde 1839 zugunsten der neu gegründeten Metropolitan Police aufgelöst.

Band 1

Band 2

Band 3

Band 4

Band 5

Band 6

Band 7