Heute ist Ians Geburtstag. Damit ist sein Sternzeichen Wassermann: freundlich, loyal, einfallsreich und selbstsicher.
Gut, an der Selbstsicherheit muss er noch arbeiten – und daran, wie man ein Geburtstagsgeschenk annimmt, wohl auch 🙂

Dazu der passende Auszug aus Kapitel 23 aus „Mit Schwert und Feder“

Zwei Tage später stand Joanna früh auf und ging hinunter zur großen Halle, um Ian dort abzupassen. Sie verbarg sich hinter einem Schrank, von wo aus sie die Eingangstür gut im Blick hatte, und wartete. Nervös betrachtete sie das Paket in ihrer Hand. Heute war der 17. Februar – Ians Geburtstag. Im Dezember hatte sie Charlotte bei ihrem Besuch danach gefragt. Seltsam, sie hatte so viel Zeit mit Ian verbracht, aber auf die Idee, ihn selbst nach seinem Geburtstag zu fragen, war sie nie gekommen. Sie hatte ihm eine lederne Aufbewahrungstasche für seine Schreibsachen genäht, die Platz bot für zwei Federkiele und Fächer für das Federmesser und das Tintenfässchen enthielt. Zum Transport konnte man die Tasche zusammenrollen und mit Bändern verschließen.

Nun stand sie hier vor der Halle und wartete auf Ian. Ob die Tasche ihm gefiel? Bis jetzt bewahrte er seine Schreibfedern in einem Leinentuch auf. Sie freute sich schon auf sein Gesicht, wenn er die Tasche aus dem bunten Stoff, den sie darumgebunden hatte, auspackte. Aufgeregt beobachtete sie weiter den Eingang und ein paar Augenblicke später erschien er – zu ihrer Zufriedenheit alleine. Eilig folgte sie ihm in die fast noch leere Halle. Ian wollte sich gerade hinsetzen, als sie ihn erreichte und am Arm berührte. Er drehte sich um und sein Gesichtsausdruck verhärtete sich.
Joanna ignorierte seine Abneigung. „Alles Gute zum Geburtstag!“, begrüßte sie ihn fröhlich und hielt ihm das Geschenk hin.
„Was soll das, Joanna?“
„Du hast Geburtstag. Ich gratuliere dir und möchte dir etwas schenken. Vielleicht findet sich heute auch noch Zeit zu feiern“, schlug sie vor.
„Mir ist absolut nicht nach Feiern zumute“, erwiderte er barsch. „Wenn du dich erinnern möchtest: Mein Geburtstag ist zugleich der Todestag meiner Mutter.“
„Das habe ich nicht vergessen“, sagte sie. „Aber ich denke, an einem Tag ist Raum ist für beide Gefühle – Trauer und Freude.“
„Das sehe ich nicht so.“ Er betrachtete sie voller Verachtung. „Aber ich erwarte nicht, dass du nachvollziehen kannst, wie sehr mich der Verlust meiner Mutter schmerzt.“
„Das kann ich wahrscheinlich wirklich nicht“, antwortete sie leise. „Ich habe beide Elternteile verloren, und das ist natürlich etwas ganz anderes.“
Ian schwieg, er hatte seinen Fehler bemerkt.
„Möchtest du nicht dein Geschenk auspacken?“, fragte sie ihn versöhnlich.
Widerwillig zog er den Stoff auseinander und warf einen abfälligen Blick auf den Inhalt. „Ich brauche es nicht, behalt es.“ Er drückte ihr das geöffnete Päckchen in die Hand.
Ungläubig starrte sie ihn an. Niemals hätte sie gedacht, er könnte ihr Geschenk nicht annehmen. „Ich habe mir so viel Arbeit damit gemacht!“
„Der Händler, von dem du es gekauft hast, wird es sicher zurücknehmen.“
Für einen Moment fehlten Joanna die Worte, dann fasste sie sich wieder. „Was soll das, Ian? Warum bist du so abweisend?“
Statt einer Antwort erhielt sie nur ein Schweigen, das sie in den Wahnsinn trieb. „Was ist nur in diesen Winterferien passiert, das dich so verändert hat?“, rief sie. „Kannst du es mir nicht endlich sagen?“
„Du möchtest es wirklich wissen?“
„Ja, ich denke, ich habe ein Recht darauf.“
„Wie du meinst.“ Er sah sie kalt an. „Meine längere Abwesenheit von Greystone hat es mir ermöglicht, die Dinge mit mehr Distanz zu betrachten.“
Ein unbehagliches Gefühl beschlich sie. „Was für Dinge meinst du?“
„Dich.“
„Mich?“
„Liebe Joanna, hast du dich – wenigstens einmal – ehrlich gefragt, wieso du keinen Ehemann findest? Warum selbst Lady Tamara, die über jahrelange Erfahrung verfügt, deine Unterweisung als sinnlos abgebrochen hat?“
Seine Worte waren wie Gift. „Sprich nicht weiter, Ian.“
„Du wolltest es hören! Und da du dich so brennend dafür interessierst, warum Galad die Burg verlassen hat: Vielleicht verlangte Jake von ihm einzuspringen, falls du überhaupt niemanden findest. Und da verschanzt sich Galad doch lieber in Lionsbridge, als hier dem Risiko ausgesetzt zu sein, den Albtraum einer Ehe mit dir eingehen zu müssen.“
War es Joanna vor ein paar Tagen nicht möglich gewesen, wütend zu sein – jetzt war sie es! Ihr Körper bebte vor Zorn und sie warf ihm die Schreibrolle, an der sie sich die ganze Zeit festgehalten hatte, vor die Füße. „Du widerlicher Mistkerl!“, rief sie so laut, dass die anwesenden Studenten sie erschrocken ansahen. Doch Joanna bemerkte es nicht. Sie fuhr auf dem Absatz herum und verließ die Halle. Seinen Anblick konnte sie nicht länger ertragen!
Sie brauchte den ganzen Weg bis in ihr Zimmer, um sich halbwegs zu beruhigen. Dass Ian kaum noch mit ihr sprach, gut. Dass er sie versetzte, noch hinnehmbar. Aber dass er sie grundlos beleidigte, und auch noch bei einem Thema, von dem er wusste, wie schwierig es für sie war – das ging zu weit! Rastlos lief Joanna auf und ab. Und sie hatte ihn für ihren Freund gehalten! Schlimmer noch: Sie hatte sich in ihn verliebt und wäre bereit gewesen, ihn zu heiraten. Wie hatte sie sich nur so in ihm irren können?
Weil sie absolut keine Erfahrung mit Männern hatte, war die einfache, aber treffende Erklärung. Sie hatte Dankbarkeit mit Zuneigung verwechselt. Sie war die erste adlige Dame, die Ian kennengelernt hatte, außer seiner Schwester. Sie hatte sich um ihn gekümmert, und er war ihr sehr zugetan gewesen. Doch sein Horizont hatte sich erweitert. Und in Lionsbridge hatte er schließlich ganz andere Bekanntschaften gemacht. Joanna wusste, dass in der Wasserburg der Hochadel verkehrte. Und am Neujahrsfest war Ian bestimmt umringt gewesen von einer Schar junger Frauen. Achtzehn, neunzehn Jahre alt, in prachtvollen Kleidern mit tiefen Ausschnitten, die alle nicht wussten, wie man das Wort Widerspruch überhaupt buchstabierte. Sicherlich hatten sie atemlos an seinen Lippen gehangen, als er irgendeine abenteuerliche Geschichte über seine Enterbung erzählt hatte. Und später beim Tanzen lagen sie dann in seinen ach so starken Armen.
Joanna spürte, wie ihre Wut erneut hochkochte. Sie stand hier in ihrem schlichten Leinenkleid, von dem Lady Tamara gesagt hatte, sie würde es nicht einmal ihre Küchenmagd tragen lassen, und hoffte wie eine dumme Gans auf Ians Zuwendung. Sie biss sich auf die Lippen, um nicht laut loszuschreien. Der Teufel sollte ihn holen! Bis er sich nicht bei ihr entschuldigt hatte, würde sie kein Wort mehr mit ihm wechseln!