Verliebt in einen Ritter

Die Frage ist nicht, an welchem Tag du der Liebe deines Lebens begegnest.
Die Frage lautet: In welchem Jahrhundert?

Vom Freund betrogen und zurück als Kellnerin im Dorfcafé ihrer Eltern – schlimmer kann ihre Lage nicht werden, denkt Julia. Ihre Meinung ändert sich schlagartig, als sie durch einen Zeittunnel ins Jahr 1515 gerät und dort als Hexe angeklagt wird. Einzig dem Ritter Severian verdankt sie, dass sie dem Scheiterhaufen entkommt. Für seine Hilfe zahlt Severian allerdings einen hohen Preis: Er muss zusammen mit Julia ins Jahr 2015 fliehen. Der Alltag mit dem von Standesdünkeln behafteten, eigensinnigen Adligen stellt Julias Geduld vor eine harte Probe. Wie geht man am besten mit einem Kerl um, für den Autos Teufelswerk sind und Emanzipation ein Fremdwort? Doch je besser sie Severian kennenlernt, desto weniger will Julia ihm in die Vergangenheit zurückverhelfen. Denn im Jahr 1515 wartet nicht nur seine Verlobte auf den gut aussehenden Ritter, sondern auch ein furchtbares Schicksal.

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Taschenbuch: € 12,99
378 Seiten

Leseprobe – Verliebt in einen Ritter

Samstag, 29. August 2015

»So gebt ein großartiges Handgeklapper, edle Ritter, für meine Schwester Julia, die uns mit Liebe und Sorgfalt eine solch schmackhafte Speise zubereitet hat.«
Julia verdrehte die Augen. Manchmal übertrieb es Patrick wirklich mit seiner Mittelalter-Begeisterung. Doch ihr älterer Bruder war mit seiner Ansprache noch nicht am Ende.
»Und zollt ihr weit größeren Respekt, meine Herren, da sie bereit ist, den Abwasch zu übernehmen, während wir uns im Kampf mit dem Schwert ertüchtigen wollen!«
Applaus und Dankesrufe schallten über die Waldlichtung mit der Klosterruine. Julia verteilte Kusshände in die Runde der jungen, mittelalterlich gekleideten Männer, dann blickte sie zu der Plastikkiste vor ihren Füßen, in der sich das schmutzige Geschirr des Mittagessens stapelte. Sie hatte es ja nicht anders gewollt. Im Gegenteil, sie war froh, beim ersten Braunfelser Ritterlager dabei zu sein. Alles war besser, als in ihrem Zimmer zu sitzen und über André nachzudenken – selbst ein Zeltwochenende mit vierzehn Hobbyrittern, zu denen auch ihre zwei Brüder zählten.
Julia packte die Geschirrkiste mit beiden Händen und machte sich auf den Weg zum Küchenhäuschen, das ebenso wie die Toiletten abseits der Klosterruine lag.
Hinter ihr erklangen bereits das Klirren aufeinandertreffender Metallschwerter und das dumpfe Plong der Holzwaffen. Keiner der Jungs hatte wirklich Ahnung vom Schwertkampf, einige hatten Lehrbücher gelesen, andere Videos im Internet geschaut, doch die meisten bezogen ihr Wissen aus Hollywoodfilmen. Es war Patricks Idee gewesen, mit diesem Wochenende die Schwertkampf-Kenntnisse von sich und seinen Freunden zu verbessern. Und nach der Sache mit André hatte Julia bereitwillig zugesagt, ihren Bruder zu unterstützen.
André hatte nie verstanden, was ihr an dieser Mittelaltersache so gefiel.
»Peinliches, vorpubertäres Getue«, hatte ihr Freund – oder musste sie schon Ex-Freund sagen? – mit seinem Missfallen nicht hinterm Berg gehalten. »Haben diese Kerle nichts Besseres zu tun, als mit Holzschwertern und Ritterrüstungen im Wald herumzurennen?«
Julia verzog das Gesicht. Selbst hier draußen ging ihr André nicht aus dem Kopf. Dabei hatte dieser Idiot es überhaupt nicht verdient, dass sie auch nur einen einzigen Gedanken an ihn verschwendete!
Leider war ihr Herz anderer Meinung. Mit einem Scheppern stellte Julia die Kiste auf der Erde ab, holte ihr Smartphone aus der Schürze ihres Kleides hervor und schaltete es an. Das Hintergrundbild leuchtete auf: sie und André eng umschlungen in einer Gondel in Venedig. Julias Stimmung sank ins Bodenlose. Warum hatte sie das Foto noch nicht gelöscht?
Weil ein Teil von dir weiterhin an eine Zukunft mit André glaubt, gab sie sich selbst die Antwort. Und genau dieser Teil verlangte, dass sie ihre Nachrichten bei WhatsApp checkte. Zum gefühlt tausendsten Male in den letzten Stunden. Vielleicht hatte André ihr inzwischen doch eine Mitteilung geschickt, in der er alles als dummen Irrtum erklärte.
»Natürlich«, murmelte Julia ironisch. »Dafür, dass er nackt auf der ebenso nackten Tonya gelegen hat, gibt es bestimmt vollkommen harmlose Gründe.« Dennoch tippte sie mit dem Zeigefinger auf das WhatsApp-Symbol.
Es konnte keine Verbindung hergestellt werden.
Blödes Netz! Den Blick starr auf die Balken in der linken oberen Ecke des Displays gerichtet, lief Julia einige Schritte weiter. Wieso war der Empfang in diesem Wald auch so schlecht? Was, wenn André ihr tatsächlich eine Entschuldigung geschickt hatte und sie nun nicht antworten konnte?
Dann ist er selbst schuld, mahnte eine Stimme in ihrem Kopf. Das Ganze ist fast drei Tage her, er hatte Zeit genug, sich zu melden.
»Vielleicht wollte er mir Zeit geben, mich zu beruhigen?«
Vielleicht hat er einfach kein Interesse mehr an dir?
»Quatsch! Wir waren total glücklich.«
Ach ja?
»Ja!« Julia kickte mit dem Fuß einen kleinen Ast fort. Wenn sie anfing, sich mit sich selbst zu streiten, konnte sie sich gleich in die Psychiatrie einweisen lassen.
Ihr Blick glitt zurück zum Display. Kein einziger Balken. Suchend schaute sie sich um. In Richtung Braunfels würde der Empfang bestimmt besser sein. Entschlossen lief sie in den Wald hinein, um die Strecke zum Spazierweg nach Braunfels abzukürzen.
Da, ein Balken! Oh nein, schon wieder weg. Hastig eilte Julia weiter durch das Gestrüpp, was keine leichte Angelegenheit war. Sie hatte sich dem Anlass entsprechend angezogen und trug ein graues Leinenkleid mit gekräuselten Ärmeln, darüber eine dunkelgrüne Schürze und ein schwarzes, geschnürtes Mieder. Ein Paar dünne, knöchelhohe Lederstiefel vervollständigten ihr mittelalterliches Erscheinungsbild. Hübsch anzusehen, aber nicht das ideale Outfit, um durchs Unterholz zu streifen. Immer wieder verfing sich der lange Rock in auf dem Boden liegenden Ästen und sie musste anhalten, um den Stoff vorsichtig loszumachen.
Erneut flackerte der Balken auf. Sofort tippte sie wieder auf das WhatsApp-Zeichen, nur um die inzwischen vertraute Fehlermeldung zu erhalten. Wütend starrte Julia auf das Handy, als könne die Macht ihrer Gedanken bewirken, die Verbindung in Gang zu setzen.
Doch statt des Signaltons beim Eingang einer Nachricht erklangen ein Rascheln und ein Stöhnen.
Julia riss den Kopf hoch. Vor ihr stand ein junger Mann, der ebenso verbissen in seine Hand starrte, wie sie es selbst gerade getan hatte. Und ebenso wie sie trug er ein mittelalterliches Kostüm samt Waffengürtel und Schwertgehänge. Ein sehr authentisches Kostüm, wie sie zugeben musste, auch wenn sein langärmliger, wattierter Gambeson viel zu warm war für diesen heißen Spätsommertag.
Julia lächelte. Offensichtlich war sie nicht die Einzige, die für einen Moment die Welt des Mittelalters verlassen hatte, um ihre Nachrichten zu checken.

Landkarte von Braunfels

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